Wolfgang

Vertreibung
Krieg

Ich musste meine Heimat mit acht Jahren verlassen. Die Heimat war die Hauptstadt von Schlesien, Breslau, heute Wroclav/Polen. Wir mussten weg, weil durch die Verträge von Jalta und nach dem Sieg über den Hitler-Faschismus die Grenzen 300 km nach Osten verlegt wurden.

1944 hatte SS Stadtkommandant Hanke die Stadt Breslau zur Festung erklärt. Frauen, Kinder, Alte  - nicht Kriegsfähige - mussten weg. Da sind wir ins Riesengebirge gekommen mit dem Zug, dann in den Böhmerwald. In Sobislau wurden meine Großmutter, eine Tante und ich bei einer deutschen Familie einquartiert. Nach ein paar Tagen haben die Tschechen dort alle Deutschen zusammengetrieben. Wir mussten einen Tag und eine Nacht auf dem Schulhof bleiben. Dann ging der Marsch los: sechs Wochen zu Fuß, 2500 Menschen, wieder zurück nach Deutschland. Übernachtet im Freien, in einer Ziegelei, auf dem Friedhof. Viele haben ihr Gepäck zurückgelassen, viele viele sind gestorben. Im Mai 45 waren wir wieder in Breslau. Weil wir nicht „kooptieren“ wollten, also die polnische Staatsangehörigkeit annehmen, wurden wir in die Gegend von Bremen deportiert. Mitnehmen dürften wir nur, was wir tragen konnten.

Die Cousine meines Vaters lebte in Dossow, hatte dort eine Siedlung, mit einer Kuh, einem Pferd, Schweine, Hühner, Gänse und Enten.

Ich ging hier zur Schule. Manche nannten mich „Zigeuner“ oder „Pollack“, wenn es Streit gab. Entweder ich setzte mich durch, oder ich erzählte, dass wir in Breslau mit der Straßenbahn zum Einkaufen gefahren sind, und da gab es Rolltreppen! Nicht wie hier, mit dem Pferdewagen zu Emil Barthels nach Wittstock.

Meine Oma sagte: „Und wenn wir mit dem Handkarren sechs Wochen lang zu Fuß gehen müssen, ich will nach Breslau zurück.“  Aber meine Heimat ist jetzt hier.