Erika

Hunger
Krieg
Vertreibung

Überall waren Flüchtlinge. Deutschland war voll!

Unsere erste Unterkunft waren Baracken. Das war in Thüringen. Man wollte uns dort gar nicht haben. Aber die Lok des Güterzuges, mit dem wir unterwegs waren, wurde abgekoppelt, und wir blieben auf freier Strecke stehen. Wie der Ort hieß, zu dem wir hin sollten, weiß keiner mehr. Jedenfalls wurden wir zu den Baracken gebracht. Nachts schliefen wir draußen, weil drinnen alles voller Wanzen war. Auf drei Ziegelsteinen stand unser Topf. Darin wurde gekocht. Das war im Herbst 46. Auf den Feldern fand man noch Kartoffeln, Ähren oder Erbsen. Irgendwann fuhr der Güterzug weiter, wir wussten nicht wohin. Immer wieder blieb der Zug stehen. Wir wussten nicht, wo wir waren. So ging das drei Wochen lang.

Ich lag auf aufgestapelten Säcken mit dem Kopf an der Waggonwand und ich merkte, wenn eine Lok ab- oder angekoppelt wurde, weil es dann immer ruckte. Einmal haben wir Windmühlen gesehen, aber das war das größte Ereignis.

In Rostock-Dierkow war ein großes Sammellager. Baracke an Baracke. Alles aus Holz. Die Duschen waren entweder zu kalt oder zu heiß. Wir trauten uns gar nicht zu schreien, haben alles stumm über uns ergehen lassen. Zu Essen gab es „Stacheldrahtsuppe“. Wir konnten sie nicht runterschlucken, weil die Gemüsestücke in den Hals stachen. Das Dörrgemüse war so alt, dass es nicht mehr weich wurde. Wir haben die Suppe weggekippt, trotz Hunger. Wir stellten wieder unseren Topf auf drei Steine und kochten, was wir auf den Feldern ringsum gefunden haben. Unsere Knöchel und Waden waren aufgekratzt und vereitert von den scharfen Stoppeln. Wenn die Bauern uns erwischt hätten, hätten sie uns vertrieben.

Nach ein paar Wochen wurden wir zu einem Gehöft gebracht. Dort sollten wir im Pferdestall wohnen. Meine Mutter fing an bitterlich zu weinen. Sie schrie: „Hier bleiben wir nicht!“ Man gab uns dann ein kleines Zimmer auf dem Dachboden. Dort wohnten wir zu siebt.