Edith
Was denken Sie wie die Soldaten ankamen? Erschreckend! Die wollten nur ein bisschen schlafen. Man Vater hatte sie entdeckt, draußen auf der Straße. Sie hatten sich von der Front gelöst und haben versucht auf irgendeine Art nach Hause zu kommen, nach Westen. Bei Vater hatte Ihnen im Pferdestall ein Lager gebaut, aus Stroh. Meine Mutter hat ihnen Stullen gemacht, ihnen Schuhe und Mäntel gegeben. Die Soldaten waren tagelang unterwegs gewesen, völlig kaputt und in großer Eile. Sie hatten keine Ruhe, haben nur ein paar Stunden geschlafen und sind dann weiter. Mein Vater hatte Ihnen den Weg zur Notbrücke gezeigt. Die Soldaten wollten von Niemandem gesehen werden. Hätte man sie erwischt, wären sie von den Deutschen erschossen worden, von den eigenen Leuten, dabei waren die noch blutjung.
Ein paar Stunden später war unser Hof schon voller Russen. Das war am 26. Januar 1945 in Strese, damals Wartegau, heute Polen.
Im Juli mussten wir unseren Hof verlassen, beim Mittagessen kamen Polen und zwei Russen. Sie sagten, in 10 Minuten müssen wir raus, jeder darf 20 Pfund Gepäck mitnehmen. Die standen auf der Veranda und haben gewartet. Es hat geregnet, meine Mutter wollte nochmal rein, einen Schirm holen, aber die haben es verboten und die Tür zugeschlossen. Wir mit einem Handwagen, zu Fuß und mit unserer kranken Großmutter. Nichts zu Essen und zu Trinken, bis Berlin, vier Wochen lang. Geschlafen haben wir unter freiem Himmel, oder im Wald, oder wenn man uns ließ in Scheunen und Garagen. Meine Großmutter hatte ihre Bettdecke mitgenommen, die war ihr heilig. Sie war ja auch schon über 70.
Ein paar Wochen später sind wir in Wittstock gelandet. Meine Oma war sehr krank. Wir mussten einen Arzt aufsuchen, denn Dr. Hugel. Er konnte ihr nicht helfen, aber er hat dafür gesorgt, dass wir eine Unterkunft bekommen haben, in Biesen. Familie Franke hat ein Zimmer freigeräumt, dort konnten wir wohnen, zu siebt. In der einzigen Bettstelle schlief meine Großmutter. Dort ist sie gestorben, an Unterernährung und an den Strapazen.