Bernhard

Familie
Vertreibung

Gepackt hat mich das viel früher, so 2009/2010. Da hatte ich eine Krebserkrankung, Operation, Chemotherapie. Und da hatte ich angefangen, mich mit der Herkunftsgeschichte meiner Eltern zu beschäftigen. Die erste Welle war ab 1763, die zweite so ab 1810. Da wurden gezielt Deutsche angeworben, um in Russland zu siedeln und das Land zu bebauen. Es gab Startkapital und Privilegien. In Deutschland reichten damals die Lebensgrundlagen nicht. Mein Vater ist da unten geboren, in Bessarabien, heute größtenteils Ukraine.

Im Zusatzprotokoll vom Hitler-Stalin-Pakt wurde Bessarabien an die Sowjetunion verscherbelt. Mein Vater und seine Familie wurden im Herbst 1940 nach Deutschland gebracht, ins „Eindeutschungslager“ Dresden. Im Frühjahr 1941 wurden sie von deutschen Truppen im besetzten Polen angesiedelt. Zwischen Posnan und Oborniki, wo vorher die polnischen Bauern von ihren Höfen vertrieben worden waren. Da haben sie ihre Wirtschaft aufgebaut, Selbstversorgung und Handwerk.

Im Sommer 1945 sind sie alle geflüchtet, hierher nach Herzsprung. Zusammen mit Familien, die sie noch aus Bessarabien und Polen kannten. 1950 haben sie in Wittstock ein baufälliges Haus gekauft, das wurde 1960 baupolizeilich gesperrt. Ein Onkel und meine Oma sind in den Westen gegangen, meine Tante ging nach Brandenburg. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass meinn Vater nicht gern gegangen ist. Dass ist die reine Entwurzelung. Vermutlich der Grund, warum ich mich hier so festkralle und nicht weggehe.