Ausstellung in Wittstock Galerie erzählt Migrationsgeschichten
Im Herbst 2015 war die Galerie unter Regie des Bündnisses „Wittstock bekennt Farbe“ entstanden. „Das war damals unsere Antwort auf Hass und Hetze, die in dem Jahr besonders laut wurden“, blickte Bündnismitglied Gerhard Richter zurück, der die Galerie der verlorenen Heimat maßgeblich gestaltet hat.
In den vergangenen vier Jahren gab es zahlreiche Ausstellungen, die Zahl der Geschichten ist gewachsen und einige von ihnen sind auch auf der Webseite des Projekts zu lesen. Über eine alte Schreibmaschine, mit der Gerhard Richter die Geschichten aufschreibt, kommt er meist mit den Leuten ins Gespräch. „Die Schreibmaschine verspricht eine hohe Glaubwürdigkeit, weil an dem Text im Nachhinein nichts verändert werden kann“, erklärte Gerhard Richter.
Immer mal wieder war er mit seiner Galerie auf Festen und Veranstaltungen zu sehen, nun hat das Projekt einen festen Platz in Wittstock – zumindest für ein halbes Jahr. Über den Kontakt zum Wittstocker Händlerstammtisch, der dem Leerstand in der Innenstadt zu Leibe rücken will, konnte Gerhard Richter die Räume in der Gröperstraße 9 anmieten.
Gefördert wird das Projekt unter anderem vom Bundesfamilienministerium. Neu in den Reihen der Förderer ist die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, die auch die Miete bezahlt. Gerhard Richter hat zudem ein Team zusamengestellt, das die Räume während der Öffnungszeiten betreuen wird. „Natürlich soll die Galerie weiter wachsen, jeder Besucher kann Teil von ihr werden“, so der Initiator.
Bei der Eröffnung der Galerie am Dienstagabend gab es neben Livemusik und Getränken auch anregende Gespräche und bei manchem Besucher Bewunderung für die Geschichten. „Die Geschichte eines jungen Afghanen hat mich besonders bewegt“, sagte Evelyn Zibul. Bedauernswert sei auch, dass gut ausgebildete Migranten in Deutschland Jobs von niederer Qualifikation erhalten würden.
Die Ausstellung ist noch bis Anfang Oktober freitags bis sonntangs zwischen 15 und 18 Uhr in der Gröperstraße 9 geöffnet.
Von Christian Bark
MAZ / Dosse-Kurier
Panoptikum der Mobilitätsgeschichten
Dass jeder irgendwann mal irgendwohin weg muss oder will, bietet hervorragende Grundlagen für die am Mittwoch in Wittstock eröffnete „Galerie der verlorenen Heimat“. Sie thematisiert Schicksale von Flüchtlingen, Zugezogenen aber auch von Wittstockern, die partout nicht ihre Heimat verlassen wollten. Die 26 Geschichten sind bis Ende Oktober in der Marienkirche zu sehen.
Sowohl altbekannte Wittstocker als auch Flüchtlinge und Zugezogene sind mit Geschichten auf den Tafeln vertreten.
Quelle: Christian Bark
Im großen Treck 1945 von den ehemaligen deutschen Ostgebieten über die Oder in die Mark; über die Prager Botschaft 1989 in den Westen und später zurück in den Osten; im Flüchtlingsboot aus dem syrischen Bürgerkriegsgebiet über das Mittelmeer nach Europa vor zwei Jahren – zahlreiche Schicksale von Wittstockern und in Wittstock lebenden Menschen haben in irgendeiner Form mit Mobilität zu tun. Genau diese Thematik hatte der Journalist und Autor Gerhard Richter vor einem Jahr aufgegriffen und gemeinsam mit dem Bündnis „Wittstock bekennt Farbe“ begonnen, die Geschichten in eine Ausstellung zu integrieren: „Die Galerie der verlorenen Heimat“.
In persönlichen Interviews hatte Gerhard Richter die Geschichten zahlreicher Wittstocker notiert. Hier erzählt Dorothea Stüben auf dem Sommerfest der Linken.
Quelle: Christian Bark
„Jeder hat eine Geschichte zu erzählen, wo er irgendwann mal irgendwohin weg war“, erklärte Richter zur Eröffnung der Ausstellung am Mittwochabend in der Wittstocker Marienkirche. Die Galerie diene als eine Art Panoptikum von Mobilitätsgeschichten. Dabei erinnerte sich Richter auch, wie jede einzelne Geschichte entstanden ist. Bei verschiedenen öffentlichen Festivitäten wie zum Beispiel beim letzten Sommerfest der Linken war der 52-Jährige mit seinem Pavillon vertreten. Im lockeren Gespräch griff der Journalist einen besonderen Aspekt in der Lebensgeschichte seiner Interviewpartner auf. „Bei manchen Protagonisten erzähle ich aber auch fast eine ganze Lebensgeschichte“, erklärte Richter. Getippt wurden diese gleich vor Ort mit Richters 66 Jahre alter Groma-Schreibmaschine.
Die Ausstellung
26 Geschichten
von Wittstockern oder Menschen, die mit der Stadt zu tun hatten, sind auf den Tafeln zu lesen.
„Wittstock bekennt Farbe“ hat das Projekt initiiert. Es wurde auch von der Kirche unterstützt.
Bis 31. Oktober ist die Ausstellung täglich von 10 und 16 Uhr zu besichtigen.
Doch nicht nur Erzählungen von denen, die gegangen oder gekommen waren, hätten ihn interessiert. Bei der Wittstockerin Kerstin Zillmann habe ihn besonders fasziniert, dass sie ihre Heimat partout nicht verlassen wollte. „Ich möchte hier nicht weg“, sagte sie am Mittwochabend auf der Ausstellungseröffnung. Mit kritischem Blick musterte sie Richters Text. „Ich fühle mich gut wiedergegeben“, stellte sie kurz darauf fest.
Frauke Hoffmann (l.) und Sabine Ranft machten die Musik zur Ausstellungseröffnung. Quelle: Christian Bark
Wie Zillmann waren weitere neugierige Wittstocker gekommen. Zum einen um die verschiedenen Geschichten zu lesen, zum anderen um den Liedern von Frauke Hoffmann, Sabine Ranft und Gerhard Richter zu lauschen, die von Sehnsucht, Liebe und Fernweh erzählten. „Liebe ist tatsächlich ein wichtiger Punkt, an einen Ort zu kommen oder ihn zu verlassen“, blickte Richter auf die verschieden Schicksale. Er sei übrigens nach wie vor auf der Suche nach Geschichten – gerne auch von Menschen, die Wittstock aus irgendeinem Grunde verlassen haben. Die Galerie solle wachsen und, wie der Initiator in seiner Eröffnungsrede sagte „zu einer Art kollektivem Gedächtnis Wittstocker Mobilität“ werden.
Christian Bark